Zum ersten Mal begegnet bin ich Ernst Schraetz an einem Vormittag im Februar 2016. An diesem Wintermorgen, als sich die Nebel gerade lichteten, war der damals 84-jährige Ernst Schraetz allein im Hülser Bruch anzutreffen, wo er mit einem einfachen Rechen auf einem ca. 5000 Quadratmeter großen Naturschutzgebiet die dort wachsende Heidevegetation von Laub befreite, um sie auszumagern. Ernst Schraetz hat sich zeit seines Lebens für den Naturschutz engagiert, manchmal alleine und eher im Verborgenen, wie an diesem Februarmorgen, andere Male lautstark und öffentlich, aber auf jeden Fall viele Jahre lang unermüdlich.
In Hüls verwurzelt und in einer Familie mit fünf Geschwistern aufgewachsen, hat sich Ernst Schraetz schon früh für die Natur interessiert. In den Kriegsjahren verbrachte er die Zeit von Juli 1943 bis August 1945 im Zuge der Kinderlandverschickung in der Rhön. Damals lernte er die bäuerliche Naturlandschaft kennen und lieben. Nach seiner Schulzeit an der Schäfer-Voß-Schule (dem heutigen Gymnasium am Moltkeplatz) absolvierte er eine Ausbildung zum Bergmann und arbeitete danach auf der Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn. Er war verheiratet und hat zwei Söhne.
Neben seinem Beruf engagierte sich Ernst Schraetz immer mehr für den Schutz der heimischen Natur. So gründete er 1976 zusammen mit Gleichgesinnten die Krefelder Gruppe des Deutschen Bundes für Vogelschutz, der später in den Naturschutzbund überging. Über die Jahre eignete er sich autodidaktisch ein umfangreiches Wissen über unsere heimische Natur an und beschäftigte sich mit der Bestimmung und Kartierung von Vögeln und Pflanzen. Seine Kenntnisse gab er bei zahlreichen Naturführungen und naturkundlichen Veranstaltungen an seine interessierten Zuhörer weiter. Dabei bewies er nicht nur ein erstaunliches Auge für Details, sondern auch für die großen Zusammenhänge in dem komplexen System unserer Natur. Immer wieder organisierte er auch naturkundliche Reisen in die Rhön, wo er als Junge die Natur lieben gelernt hatte. Sein Sachverstand machte ihn zu einem anerkannten Experten, er prüfte und kommentierte zahlreiche Landschafts- oder Bebauungspläne in Krefeld und regte Verbesserungen an.
Für sein jahrelanges ehrenamtliches Engagement für unsere Umwelt wurde er mit dem Rheinlandtaler, dem Bundesverdienstkreuz und dem ersten Umweltschutzpreis der Stadt Krefeld ausgezeichnet. Von der "Stiftung Krefelder Natur- und Kulturlandschaften" erhielt er die erste Schleiereule für Naturschutz.
Mit Ernst Schraetz haben wir nicht nur einen vorbildlichen Kenner des Arten- und Landschaftsschutzes verloren, sondern auch einen humorvollen, begeisterungsfähigen und mitreißenden Menschen, der bei seinen Exkursionen Menschen aller Generationen in den Bann seiner Naturliebe zog und ihnen bis dahin Unbekanntes näherbrachte. Sein unermüdliches Engagement und seine kreative Gestaltungsfähigkeit hinterlassen in Krefeld viele Spuren, von denen unsere heimische Natur noch lange profitieren wird.
Sandra Joppen-Hellwig